Dienstag, 15. Oktober 2013

"Jens"

Nachdem am 8.12.2012 bereits ein erster Artikel über die unangekündigte Abholung des Kindes in unserer Tageszeitung DIE RHEINPALZ erschien (hier zu lesen: klick), wurde heute ein weiterer Bericht dazu veröffentlicht.


Pflegemütter weiter ohne Kontakt zu Jens

LAMBRECHT: Fall des ohne Ankündigung abgeholten Pflegekindes hat inzwischen auch dem Petitionsausschuss vorgelegen


Stefanie Rabenschlag und Edeltraud Trautnitz wollen weiter um ihr Pflegekind Jens (Name von der Redaktion geändert) kämpfen. Sie haben sich erneut an Dieter Burgard, den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz, gewandt. Ihr Ziel: Schutz und Erhalt der Bindungen zu ihrem Pflegekind.Das Kind lebt inzwischen bei seinen leiblichen Eltern in einer bayerischen Stadt. Und dem Bericht einer dortigen Sozialpädagogin entnehmen die Pflegemütter, dass „es ihm schlecht geht“. Zur Vorgeschichte: Das Kind war im Alter von acht Monaten „schwer krank“ und „sozial vernachlässigt“ (Trautnitz) von seinen Pflegeeltern in sonderpädagogische Pflege genommen worden. Im Oktober 2012 kamen Mitarbeiterinnen des Jugendamtes Rhein-Pfalz-Kreis und nahmen es ohne Ankündigung mit (wir haben am 8. Dezember 2012 berichtet). Grund: Es sollte wieder in seine Herkunftsfamilie zurückgeführt werden. Es kam dann auch zwei Monate später wieder zu den leiblichen Eltern. Die Familie ist inzwischen aus dem Rhein-Pfalz-Kreis nach Bayern gezogen.Stefanie Rabenschlag und Edeltraut Trautnitz haben von Anfang an alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um Jens zurückzubekommen. Ihre Petition an den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz, die Bindung zu dem Jungen, der seit dem Alter von acht Monaten vier Jahre in der Pflegefamilie war, zu erhalten, haben 607 Menschen unterzeichnet.


Der Bürgerbeauftragte Peter Schöpflin sah allerdings in seiner ersten Antwort keinen Grund, das Vorgehen der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises in dieser Angelegenheit zu beanstanden. Er berief sich auf einen Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts in Zweibrücken, das die Pflegeeltern in Lambrecht verpflichtet habe, die Rückführung des Kindes aktiv zu fördern und zu begleiten. Das Kind sei in einer anderen Bereitschaftspflegefamilie untergebracht worden, weil Rabenschlag und Trautnitz „anstrebten, dass das Kind in der Pflegefamilie verbleiben müsse“. Das Amtsgericht Neustadt hat am 18. Dezember den Antrag von Trautnitz und Rabenschlag abgelehnt, Jens wieder in die Pflegefamilie zu bringen und die Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie befürwortet.


Rabenschlag und Edeltraud Trautnitz stehen auf den Standpunkt, die richterlichen Beschlüsse seien „auf Stellungnahmen der Mitarbeiterinnen des Jugendamtes hin ergangen“, welche „nicht das Kind in seiner besonderen biographischen Situation im Auge hatten, sondern ihren Rückführungsplan“. Das Kind habe mit acht Monaten bereits mehrere Klinikaufenthalte hinter sich gehabt. In den Jahren 2009 und 2010 habe die zuständige Sozialarbeiterin gesundheitliche Fortschritte bescheinigt und eine Unterbringung auf Dauer in der Pflegefamilie befürwortet. Im Januar 2011 wurden andere Personen für den Fall Jens zuständig. Nun habe intensivierter Umgangskontakt auf dem Plan gestanden.


Seit der abrupten Abholaktion des Jugendamtes habe er „keinen Kontakt zu uns und seinem über vier Jahre gewohnten Leben“, beklagen die Pflegeeltern aus Lambrecht. Die Neustadter Rechtsanwältin Gabriele Zimmermann, die Rabenschlag und Trautnitz bei zwei Verfahren vor dem Amtsgericht Neustadt vertreten hat, hat dem Bürgerbeauftragten geschrieben, für sie sei erkennbar gewesen, dass Jens von Seiten des Kreisjugendamtes „auf jeden Fall rückgeführt werden sollte, ungeachtet seiner tiefen Bindungen an die faktische Familie (die Pflegeeltern, Anm. der Redaktion). Auf „das Seelenleben des Kindes sei zu keinem Zeitpunkt Rücksicht genommen worden“.


Rabenschlag und Trautnitz streben nun wenigstens einen Umgang zu ihrem ehemaligen Pflegekind an. Sie sorgen sich um dessen Zustand. Im Bericht des örtlichen Jugendamtes in Bayer sei zu entnehmen, dass Jens erhebliche Auffälligkeiten zeige. Er sei traumatisiert, gehemmt, finde keinen Kontakt zu anderen Kindern.


Eine Sozialpädagogin hat dies auch gegenüber dem Familiengericht am Amtsgericht in der bayerischen Stadt so geschildert. Das Kind habe „deutliche Defizite in der Entwicklung“. In diesem Bericht werden sowohl die Sicht der leiblichen Eltern als auch der Pflegemütter dargestellt. Die Eltern sagten, Jens habe erhebliche Auffälligkeiten gezeigt, als er in seine leibliche Familie zurückgekehrt sei. Sie sprechen sich gegen einen Kontakt von Jens mit den Pflegeeltern aus. Auch eine Stellungnahme des Jugendamtes Rhein-Pfalz-Kreis wird zitiert, nach der zu befürchten sei, Jens könne in eine Loyalitätskonflikt kommen, wenn er den von den Pflegemüttern gewünschten Umgang habe. Die Sozialpädagogin kommt selbst zu dem Ergebnis, das zwar „grundsätzlich ein Erhalt der Bindungen “ zu den Pflegeeltern zu befürworten sei. Sie sieht aber auch „belastende Faktoren“ durch einen solchen Kontakt und einen möglichen Loyalitätskonflikt für das Kind. Sie empfiehlt daher einen Umgang zwischen Jens und seinen Pflegemüttern „zum jetzigen Zeitpunkt nicht“.


Inzwischen hat der Fall dem Petitionsausschuss des Landtags von Rheinland-Pfalz vorgelegen. Der hat „Ihrem Anliegen nicht entsprochen“ teilte der Bürgerbeauftragte des Landes Ende September mit. Die Gründe seien die gleichen wie beim abschlägigen Bescheid Anfang dieses Jahres. Was Stefanie Rabenschlag nicht versteht: Sie habe sowohl dem Bürgerbeauftragten als auch dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses den Bericht des Jugendamtes in Jens’ neuer Heimat zugeschickt, der die schlechte Situation des Kindes beschrieben habe. Doch darauf wird in der Antwort des Bürgerbeauftragten keinerlei Bezug genommen. (ff)

 

Quelle: DIE RHEINPFALZ vom 15.10.2013


*

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen