Nachdem am 8.12.2012 bereits ein erster Artikel über die unangekündigte Abholung des Kindes in unserer Tageszeitung DIE RHEINPALZ erschien (hier zu lesen:
klick), wurde heute ein weiterer Bericht dazu veröffentlicht.
Pflegemütter weiter ohne Kontakt zu Jens
LAMBRECHT: Fall des ohne Ankündigung abgeholten Pflegekindes hat inzwischen auch dem Petitionsausschuss vorgelegen
Stefanie
Rabenschlag und Edeltraud Trautnitz wollen weiter um ihr Pflegekind
Jens (Name von der Redaktion geändert) kämpfen. Sie haben sich erneut an
Dieter Burgard, den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz,
gewandt. Ihr Ziel: Schutz und Erhalt der Bindungen zu ihrem
Pflegekind.Das Kind lebt inzwischen bei seinen leiblichen Eltern in
einer bayerischen Stadt. Und dem Bericht einer dortigen Sozialpädagogin
entnehmen die Pflegemütter, dass „es ihm schlecht geht“. Zur
Vorgeschichte: Das Kind war im Alter von acht Monaten „schwer krank“ und
„sozial vernachlässigt“ (Trautnitz) von seinen Pflegeeltern in
sonderpädagogische Pflege genommen worden. Im Oktober 2012 kamen
Mitarbeiterinnen des Jugendamtes Rhein-Pfalz-Kreis und nahmen es ohne
Ankündigung mit (wir haben am 8. Dezember 2012 berichtet). Grund: Es
sollte wieder in seine Herkunftsfamilie zurückgeführt werden. Es kam
dann auch zwei Monate später wieder zu den leiblichen Eltern. Die
Familie ist inzwischen aus dem Rhein-Pfalz-Kreis nach Bayern
gezogen.Stefanie Rabenschlag und Edeltraut Trautnitz haben von Anfang an
alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um Jens zurückzubekommen.
Ihre Petition an den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz, die
Bindung zu dem Jungen, der seit dem Alter von acht Monaten vier Jahre in
der Pflegefamilie war, zu erhalten, haben 607 Menschen unterzeichnet.
Der
Bürgerbeauftragte Peter Schöpflin sah allerdings in seiner ersten
Antwort keinen Grund, das Vorgehen der Kreisverwaltung des
Rhein-Pfalz-Kreises in dieser Angelegenheit zu beanstanden. Er berief
sich auf einen Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts in
Zweibrücken, das die Pflegeeltern in Lambrecht verpflichtet habe, die
Rückführung des Kindes aktiv zu fördern und zu begleiten. Das Kind sei
in einer anderen Bereitschaftspflegefamilie untergebracht worden, weil
Rabenschlag und Trautnitz „anstrebten, dass das Kind in der
Pflegefamilie verbleiben müsse“. Das Amtsgericht Neustadt hat am 18.
Dezember den Antrag von Trautnitz und Rabenschlag abgelehnt, Jens wieder
in die Pflegefamilie zu bringen und die Rückführung des Kindes in die
Herkunftsfamilie befürwortet.
Rabenschlag und Edeltraud Trautnitz stehen auf den Standpunkt, die
richterlichen Beschlüsse seien „auf Stellungnahmen der Mitarbeiterinnen
des Jugendamtes hin ergangen“, welche „nicht das Kind in seiner
besonderen biographischen Situation im Auge hatten, sondern ihren
Rückführungsplan“. Das Kind habe mit acht Monaten bereits mehrere
Klinikaufenthalte hinter sich gehabt. In den Jahren 2009 und 2010 habe
die zuständige Sozialarbeiterin gesundheitliche Fortschritte bescheinigt
und eine Unterbringung auf Dauer in der Pflegefamilie befürwortet. Im
Januar 2011 wurden andere Personen für den Fall Jens zuständig. Nun habe
intensivierter Umgangskontakt auf dem Plan gestanden.
Seit
der abrupten Abholaktion des Jugendamtes habe er „keinen Kontakt zu uns
und seinem über vier Jahre gewohnten Leben“, beklagen die Pflegeeltern
aus Lambrecht. Die Neustadter Rechtsanwältin Gabriele Zimmermann, die
Rabenschlag und Trautnitz bei zwei Verfahren vor dem Amtsgericht
Neustadt vertreten hat, hat dem Bürgerbeauftragten geschrieben, für sie
sei erkennbar gewesen, dass Jens von Seiten des Kreisjugendamtes „auf
jeden Fall rückgeführt werden sollte, ungeachtet seiner tiefen Bindungen
an die faktische Familie (die Pflegeeltern, Anm. der Redaktion). Auf
„das Seelenleben des Kindes sei zu keinem Zeitpunkt Rücksicht genommen
worden“.
Rabenschlag
und Trautnitz streben nun wenigstens einen Umgang zu ihrem ehemaligen
Pflegekind an. Sie sorgen sich um dessen Zustand. Im Bericht des
örtlichen Jugendamtes in Bayer sei zu entnehmen, dass Jens erhebliche
Auffälligkeiten zeige. Er sei traumatisiert, gehemmt, finde keinen
Kontakt zu anderen Kindern.
Eine
Sozialpädagogin hat dies auch gegenüber dem Familiengericht am
Amtsgericht in der bayerischen Stadt so geschildert. Das Kind habe
„deutliche Defizite in der Entwicklung“. In diesem Bericht werden sowohl
die Sicht der leiblichen Eltern als auch der Pflegemütter dargestellt.
Die Eltern sagten, Jens habe erhebliche Auffälligkeiten gezeigt, als er
in seine leibliche Familie zurückgekehrt sei. Sie sprechen sich gegen
einen Kontakt von Jens mit den Pflegeeltern aus. Auch eine Stellungnahme
des Jugendamtes Rhein-Pfalz-Kreis wird zitiert, nach der zu befürchten
sei, Jens könne in eine Loyalitätskonflikt kommen, wenn er den von den
Pflegemüttern gewünschten Umgang habe. Die Sozialpädagogin kommt selbst
zu dem Ergebnis, das zwar „grundsätzlich ein Erhalt der Bindungen “ zu
den Pflegeeltern zu befürworten sei. Sie sieht aber auch „belastende
Faktoren“ durch einen solchen Kontakt und einen möglichen
Loyalitätskonflikt für das Kind. Sie empfiehlt daher einen Umgang
zwischen Jens und seinen Pflegemüttern „zum jetzigen Zeitpunkt nicht“.
Inzwischen
hat der Fall dem Petitionsausschuss des Landtags von Rheinland-Pfalz
vorgelegen. Der hat „Ihrem Anliegen nicht entsprochen“ teilte der
Bürgerbeauftragte des Landes Ende September mit. Die Gründe seien die
gleichen wie beim abschlägigen Bescheid Anfang dieses Jahres. Was
Stefanie Rabenschlag nicht versteht: Sie habe sowohl dem
Bürgerbeauftragten als auch dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses
den Bericht des Jugendamtes in Jens’ neuer Heimat zugeschickt, der die
schlechte Situation des Kindes beschrieben habe. Doch darauf wird in der
Antwort des Bürgerbeauftragten keinerlei Bezug genommen. (ff)
Quelle: DIE RHEINPFALZ vom 15.10.2013
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