Donnerstag, 9. November 2023

Leider nicht persönlich angetroffen...

 


...habe ich heute die Dame, die das Handtuch auf der rechten Seite benutzt. 
Eine freundliche Kollegin hat mich jedoch mit hineingenommen ins Gebäude des LuZiE, hat mir den Weg in den dritten Stock und zum Zimmer der Handtuchbenutzerin erklärt. Auf mein Klopfen kam aus dem Nebenzimmer eine weitere freundliche Kollegin, die mir bereitwillig über An- und Abwesenheiten Auskunft gab und mir außerdem die Damentoilette zeigte, wo ich das Handtuch auf der linken Seite benutzte und anschließend die Szene fotografierte. (Meine grüne Jacke spiegelt sich im rechten Handtuchhaken.)
Es war mir für mich wichtig, nach elf Jahren dieses Gelände und das Gebäude betreten zu können. Zuerst sah ich die beiden Spielplätze an, wo wir viele, viele Stunden verbracht haben, die begleitenden Sozialarbeiterinnen immer in der Hoffnung, Luca würde doch endlich freudestrahlend auf seine Herkunftsfamilie zulaufen und nichts lieber wollen, als endlich in den Familienschoß zurückzukehren.
Ins Fenster der Küche zum Gebäude der Bereitschaftspflege schaute ich nicht hinein, aber die vielen Stunden, die ich dort gewartet und irgendwie beschäftigt verbracht habe, waren mir präsent.
Zwischen den beiden Spielplätzen begegneten mir zwei Jungen, der eine warf sich gerade eine palästinensische Fahne über den Rücken, der andere kickte einen Fußball.
Ja, und dann kam die nette Mitarbeiterin, die mich fragte, ob ich etwas suchte.
So war ich heute schon nah daran, die Sozialarbeiterin wiederzusehen, die maßgeblich, auch mit ihren schriftlichen und mündlichen Aussagen vor Gericht, daran beteiligt war, welches Drama mit Luca geschah, und ihr von den Folgen ihrer Stellungnahmen zu erzählen.
Im vergangenen September berichtete ich unserem damaligen Anwalt von der aktuellen Situation, und in seiner Antwortmail stand: "...Es ist für mich angesichts der großen Vielzahl an Fällen oft schwierig, mich im Nachgang an diese und an Details zu erinnern. In Ihrem speziellen Falle jedoch kann ich mich noch bestens erinnern, angesichts der massiven Dramatik."
Und die Dame, die das Handtuch rechts benutzt, erinnert sich auch. Bestens.

*

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Elf Jahre heute.


 Heute, am 25. Oktober 2023, ist die Zeit der Abwesenheit elf Jahre alt.

Es war ein milder Oktobernachmittag vor elf Jahren. 
Wir gingen auf unserer Straße ein bisschen auf und ab; 
Luca war erkältet mit einem Hüftschnupfen und hinkte ein bisschen, 
darum wollten wir keine weiten Wege machen an diesem Nachmittag.

Es wurde der weiteste.

*

Ja, sie kamen zu zweit und luden dich von der Straße weg in ihr Auto.
Nein, ich durfte nicht mitfahren.
Ja, ich fuhr euch nach, zum Gesundheitsamt wollten sie.
Ja, ich fand das Gesundheitsamt in Ludwigshafen.
Nein, da wart ihr nicht.
Ja, die nette Ärztin beschrieb mir den Weg zur Kinderarztpraxis.
Ja, ich kam dort an und ihr wart noch dort.
Nein, ich durfte nicht mit hinein zur Untersuchung.
Ja, sie schlichen sich mit dir raus durch die Hintertür.
Ja, sie brachten dich in eine Bereitschaftspflegefamilie.
Ja, wir gingen am nächsten Morgen zur Polizei und zum Gericht.
Nein, kein Richter half uns und dir.
Ja, sie brachten dich in deine Herkunftsfamilie.
Ja, ihr zogt schnell um nach Bayern.
Ja, in deiner Herkunftsfamilie ging es dir sehr schlecht.
Ja, deine Tante half dir.
Ja, sie rief uns auch an.
Ja, da wussten wir endlich, wo du warst.
Ja, wir fuhren zum Gericht nach Kaufbeuren.
Ja, du warst in der Kinderpsychiatrie.
Ja, von dort kamst du ins Heim in Kempten.
Ja, 2015 konnte ich dich mehrmals im Heim besuchen.
Nein, dann durfte ich nicht mehr kommen.
Ja, ich schickte dir immer Taschengeld.
Ja, ich fragte immer wieder deine Vormunde, wie es dir gehe.

*


Ja, du hast es "rausgschafft"!!!






Luca, 15,  lebt seit drei Monaten nicht mehr im Heim,
sondern bei Tante und Onkel,
die für ihn Familie geworden sind.


*