was passiert ist

Das Kind kam mit acht Monaten krank und sozial vernachlässigt zu uns.
Das für ihn zuständige Jugendamt des Rhein-Pfalz-Kreises hatte uns als Pflegestelle für ihn angefragt, weil er anfangs noch mit Monitor und Sauerstoffflasche versorgt werden musste und wir Erfahrung haben mit pflegebesonderen Kindern.
Vom Jugendamt war geplant, dass das Kind für immer bei uns bleiben sollte, um ihm nach seiner Vorgeschichte einen weiteren Wechsel der Bezugspersonen zu ersparen.
Seine Genesung und Entwicklung verliefen überraschend und fast unerwartet positiv, und alle Beteiligten der Behörde freuten sich mit uns.
Der leibliche Vater hatte Kontaktverbot zu dem Kind, die leibliche Mutter tauchte nur selten auf. Die Eltern waren außerdem mit Sorgerechtsverfahren wegen ihrer anderen Kinder beschäftigt. Das Jugendamt forderte damals, das Kind gesondert zu betrachten, eben wegen seiner Erkrankung und Vorgeschichte.
So vergingen die ersten zwei Jahre; das Kind fasste Fuß in unserer Familie und kannte nichts anderes.
Durch eine Umstrukturierung innerhalb des Jugendamtes kam zu Beginn des Jahres 2011 ein Outsourcingunternehmen mit ins Spiel, das Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen. Die Mitarbeiter, die das Kind zu uns gebracht hatten, wechselten außerdem in andere Ämter.
Bald konnten wir feststellen, dass das Kind und sein Verbleib bei uns zur Debatte stand.
Ab diesem Punkt nahmen wir einen Anwalt dazu, Steffen Siefert aus Köln, spezialisiert auf die Rechte von Pflegekindern.
Ein Kind, das nie bei seiner Herkunftsfamilie gelebt hat und sehr jung war bei der Unterbringung in der Pflegefamilie, ist normalerweise geschützt durch die Gepflogenheit der Jugendämter, nach zwei Jahren Aufenthalt in der Pflegefamilie keinen Wechsel mehr vorzunehmen.
Rechtlich gibt es für Pflegeeltern die Möglichkeit, nach zwei Jahren einen Antrag auf Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie zu stellen. Dafür sieht das BGB den § 1632 vor.
So argumentierte unser Anwalt sauber und sehr fachlich.
Gleichzeitig entstand durch unser Stellungnehmen eine Front zwischen uns und dem Jugendamt bzw. vor allem zwischen uns und dem Subunternehmen. Diese Front artete dahingehend aus, dass man uns mangelnde Professionalität vorwarf, da wir das Kind nicht loslassen könnten.
Wir gingen bis zum OLG Zweibrücken, das jedoch dem Jugendamt mehr Glauben schenkte als uns.
Die Interessen des Kindes wurden in keiner Weise berücksichtigt, auch kein Hilfeplan erstellt. Sein Vormund, den er die ganze Zeit hatte, tauchte nur bei Gericht auf, hatte sein Mündel nie zu Hause besucht, wie es mittlerweile Pflicht ist. Vor drei Richtern in einem hohen getäfelten Gerichtssaal sollte das Kind allein seine Aussage machen - und schwieg.
Zu Hause redete er offen mit uns, dass er nicht wegwolle; wieso hätte er das auch wollen sollen. Wir waren ja sein Leben!
So erging im Juli 2012 der Beschluss, dass das Kind binnen eines halben Jahres zu seinen leiblichen Eltern zurückgeführt werden sollte; er dürfe aber keinen Schaden nehmen.
Das Kind reagierte auf die massiv erhöhten Besuchskontakte, die er viele Stunden ohne uns bei seinen leiblichen Eltern verbringen musste, mit längst abgelegten Verhaltensweisen wie Schaukeln im Bett, Einnässen... Er wachte nachts auf und sagte: Du sollst mich da nicht hinbringen!
Wir meldeten sein Verhalten dem Jugendamt; es fand kein Gehör.
Anfang Oktober 2012 war ich mit dem Kind einen Tag im Krankenhaus wegen einer Untersuchung. Zum Aufnahmegespräch erschienen plötzlich auch seine leiblichen Eltern. Das Kind, das bis dahin völlig ruhig mit dem Arzt kommuniziert hatte, schrie bei ihrem Anblick hysterisch und war nicht zu beruhigen. Der Arzt, der von nichts wusste, meldete den Vorfall von sich aus dem Jugendamt. Daraufhin warf man mir vor, ich hätte den Arzt angestiftet, Meldung zu erstatten.
Mit dem Bericht dieses Arztes gingen wir ein weiteres Mal vor Gericht. Ich hatte das Kind auch fotografiert, wenn er völlig verweint von den Besuchen bei seinen Eltern kam. Auch das wurde mir von dem Amtsrichter vorgeworfen.

Am 25. Oktober 2012 war das Kind krank. Ich hatte ein Attest ans Jugendamt geschickt, dass wir nicht zum Umgangskontakt kommen würden. Da es noch mild war, ging ich mit ihm ein paar Schritte auf unserer Straße entlang. Da fuhr ein Auto vor. Zwei Damen des Jugendamtes stiegen aus. Die eine hielt mir ein Schreiben des Vormundes hin, das beschied, das Kind solle sofort zum Amtsarzt gebracht werden. Die andere beugte sich mit Bilderbuch und Süßigkeiten zu ihm, der weinend zu mir hoch sah. Meine Bitte, ihn selbst  zum Amtsarzt zu bringen, schlugen sie ab. Ich durfte auch nicht im selben Auto mitfahren. Sie packten ihn, setzten ihn in ihr Auto und fuhren davon.
Ich fuhr mit unserem Auto hinterher, verlor sie jedoch auf der Autobahn aus den Augen. Ich fragte mich durch zum Gesundheitsamt in Ludwigshafen. Dort waren sie nicht. Die Ärztin dort schickte mich mit ausgedrucktem Stadtplan in eine Kinderarztpraxis. Dort waren sie. Ich sollte warten. Dann wurde ich zur Besprechung zur Ärztin gerufen. Währenddessen verschwand die Dame des Jugendamtes mit dem Kind. Ich sah ihn nicht mehr. Er hatte nur das bei sich, was er auf dem Leib trug. Keine Spielsachen von sich, keine Kleider, keine Bücher, keine CD`s, nichts, was er liebte - und schon gar nicht wir, seine soziale Familie, von der er sich nicht verabschieden konnte.
Man brachte ihn dann nicht etwa zu den leiblichen Eltern, sondern in eine sogenannte Bereitschaftspflegefamilie.
Dort blieb er zwei Monate, kam von dort zu seinen Eltern und den zahlreichen Geschwistern.
Bald darauf verzog die Familie nach Bayern.
Wir reichten eine Petition bei dem Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz ein. Nahezu tausend Menschen nahmen per Unterschrift Anteil am Schicksal dieses Kindes. Doch die Behörden versteckten sich hinter dem Gerichtsbeschluss.
Wir stellten beim bayerischen Amtsgericht  den Antrag, dass das Kind wenigstens Kontakt zu uns haben dürfe. Daraufhin wurde das dortige Jugendamt eingeschaltet sowie ein Verfahrensbeistand. Die Berichte, die verfasst wurden, beschreiben ein schwer traumatisiertes Kind, das einkotete und mit seinem Kot die Wände beschmierte.
Doch noch immer wollte diesen Notschrei niemand hören, und wir durften das Kind nicht sehen.
Am Abend des 24.10.2014 - auf den Tag waren zwei Jahre vergangen seit dem Verschwinden des Kindes - rief bei uns seine leibliche Tante an und erzählte uns, wie schlimm es ihm ergangen war bei seiner Mutter, ihrer Schwester. Sie könne nicht länger schweigen. Er sei im Juli und August 2014 in der Psychiatrie gewesen und lebe seit dem 1. September in einem Heim.
Die leiblichen Eltern haben kein Sorgerecht mehr. Das Kind hat wieder einen Vormund. Seine Eltern besuchen ihn nicht, haben ihn ein zweites Mal in seinem Leben abgegeben (wie als Säugling im Krankenhaus).
Wir nahmen Kontakt zu dem Vormund beim Jugendamt  auf und baten um die Möglichkeit, das Kind besuchen zu können.
Das wurde gestattet, und am 7. Februar dieses Jahres, 2015, sahen wir uns wieder nach der langen Zeit. Das Kind möchte wieder zu uns; wir möchten ihn gerne wieder bei uns aufnehmen.

Ich darf ihn einmal im Monat drei bis vier Stunden besuchen. Nachdem wir im Februar schon "Freigang" hatten und in der Stadt unterwegs waren, ist nun begleiteter Umgang gestattet.
Im April 2015 wurde der Umgang auf Betreiben der Einrichtung und ohne Angabe von Gründen wieder gestrichen.

Gleich als im Oktober 2012 das Kind weggebracht worden war, informierten wir unsere lokale Zeitung, die einen ausführlichen Bericht schrieb.
Auch die SWR-Landesschau brachte einen Beitrag.
Beides ist unter den Pressestimmen hier im Blog zu finden.
Wir hatten unser Landesjugendamt eingeschaltet, das jedoch nicht weisungsbefugt ist gegenüber den Jugendämtern.

Ich habe in diesem öffentlichen Blog alles dokumentiert, was seit dem Verschwinden des Kindes geschehen ist und was wir unternommen haben.
Eine Dame vom Kinderschutzbund, mit der ich oft im Gespräch bin, hat mich stets dazu ermuntert. Sie sagte immer, es sei wichtig, wenn das Kind mich einmal frage: Und was hast du dann gemacht? - ihm sagen zu können, welchen Verlauf seine Geschichte nahm.

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