Mittwoch, 10. Juli 2013

Matchball

Es ist "so, dass Kinder nur eine gewisse Zeit auf ihre leiblichen Eltern warten können.
Denn es ist wissenschaftlich völlig unstrittig, dass Kinder in der sogenannten bindungsintensiven Phase Bindungen an erwachsene Bezugspersonen entwickeln.
Der Schwerpunkt dieser Bindungsphase wird allgemein zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 3. Lebensjahr gesehen.
Wenn die gleichen Bezugspersonen jeden Tag die kindlichen Bedürfnisse nach Nahrung, Liebe, Trost, Kuscheln, Sicherheit usw. erfüllen, entwickelt das Kind zunächst eine Beziehung zu diesem Menschen und später eine Bindung.
Psychologen nennen die Bindung auch das 'Urvertrauen'.
Hat ein Pflegekind also längere Zeit in der Pflegefamilie gelebt, dann entsteht irgendwann eine solch enge Bindung, die bedeutet, dass die Pflegeeltern die faktischen Eltern des Kindes geworden sind.
Es ist wissenschaftlich völlig unstrittig, dass ein Kind diese Bindung zu gleichbleibenden Bezugspersonen entwickelt und dass dies in keiner Weise eine Blutsverwandschaft voraussetzt.
Es ist für ein Kind existentiell wichtig, möglichst sichere Bindungen entwickeln zu können.
Störungen in der Bindungsentwicklung können massive schädliche Folgen für das ganze weitere Leben haben.

Die Dramatik für ein Pflegekind entsteht häufig gerade durch diese natürliche Entwicklung.
Die Pflegeeltern sind nach einer gewissen Pflegedauer zu den 'gefühlten Eltern' des Kindes geworden.
Im Vergleich zu leiblichen oder adoptierten Kindern fällt jedoch für das Kind die erlebte bzw. gefühlte Elternschaft (der Pflegeeltern) und die rechtliche Elternschaft (der leiblichen Eltern) auseinander.
Anders als leibliche oder adoptierte Kinder hat das Pflegekind oft nicht die notwendige Sicherheit, in seiner Pflegefamilie bleiben zu dürfen.
Oftmals konfrontieren leibliche Eltern das Pflegekind mit ihren Ansprüchen, stellen klar, dass sie die 'richtigen' Eltern seien und fordern die Herausgabe.

Weil inzwischen wissenschaftlich gesichert ist, dass der Abbruch einer einmal entstandenen Bindung des Kindes an seine Pflegefamilie dieses dauerhaft schädigen kann, hat der Gesetzgeber Pflegeeltern Rechte eingeräumt."


Steffen Siefert
Pflegekinder: Die rechtliche Sicht
in: paten - Die Fachzeitschrift rund ums Pflegekind und Adoptivkind, Ausgabe 2/2013
Hervorhebungen: SR




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