Samstag, 17. September 2016

Beim Aufräumen entdeckt

Wie bereits angekündigt, war Luca in Begleitung von Frau Rabenschlag am 4. und 5.10.2012 im St. Anna-Stift, wo er durch eine Magnetresonanztomographie untersucht wurde.

Schon bei dem Umgang vom 27.9.2012 wies Frau Wäschle vom LuZIE Frau Rabenschlag darauf hin, dass Frau und Herr M., die leiblichen Eltern, zu diesem Termin auch ins Krankenhaus kommen wollten und dass das LuZIE wegen der beschlossenen Rückführung diesen Schritt bejahe.
Danach fand am 1.10. der Umgang statt, bei dem er ohne vorherige Absprache mit den Pflegemüttern seiner Mutter mitgegeben wurde und von dem er verstört und völlig verweint zurückkam.

 
Am 4.10. erkundigte sich Frau Wäschle telefonisch bei Frau Rabenschlag, ob die Untersuchung stattfinden würde (Luca hatte einen leichten Infekt) und kündigte nochmals das Kommen von Frau und ggf. auch von Herrn M. an.
Frau Rabenschlag ließ sich und Luca von ihrem erwachsenen Sohn Johannes zum St. Anna-Stift fahren. Luca fuhr gern mit, er geht gern zu Ärzten und auch gern ins Frühförderzentrum, so dass er gut auf diesen Termin vorbereitet werden konnte. Als ihn Frau Rabenschlag auf das Kommen seiner leiblichen Eltern vorbereitete, erstarrte er, verfiel in das typische Schaukeln jactatio corporis und sprach nicht mehr.
Im Krankenhaus war niemand, Luca entspannte sich zusehends.
Etwa 45 Minuten fand eine fröhliche Voruntersuchung statt, Luca plauderte mit Arzt und Krankenschwester, ließ ganz unbekümmert alle Untersuchungen über sich ergehen, zuckte nur leicht, als der Zugang in seine Hand gelegt wurde, keine Träne.

Als die Aufklärung über die Narkose begann, meinte Frau Rabenschlag, Luca müsste ja diesem Gespräch nicht beiwohnen. Heiter plappernd verließ er mit Johannes den Raum, kam aber Sekunden später geschockt schreiend hereingerannt, sprang Frau Rabenschlag auf den Schoß, presste sich weinend an sie und umklammerte ihren Hals.
Der Arzt, Herr Dr. Zaplinski, war sichtlich erstaunt, weil er ja zunächst nicht ersehen konnte, was diese völlige Verwandlung im Kind bewirkt hatte. Unmittelbar darauf erschienen Frau und Herr M. im Zimmer und sprachen ihre Befürchtungen wegen der Narkose aus, sie sagten, sie hätten das Sorgerecht und Frau M. sagte laut: „Luca soll ab 1. Februar 2012 bei uns leben.“ Letzteres sollte Luca ja eigentlich noch nicht erfahren.
Der Arzt fasste sich, bat sie, die Tür zu schließen und begann das Aufklärungsgespräch.
Während der ganzen Zeit, 10 bis 15 Minuten, weinte Luca laut und heftig, klammerte sich an Frau Rabenschlags Hals, verbarg seinen Kopf an ihrer Schulter und schaute immer wieder zu den beiden hin, um dann jedesmal erneut aufzuweinen und flehentlich "Mama, Mama" zu jammern.

Der Arzt beendete das Gespräch vorzeitig. Luca klammerte sich fest auf Frau Rabenschlags Arm, eine Krankenschwester brachte sie, den Jungen und Johannes Rabenschlag zum Aufzug.
Anbei wird der Arztbericht übergeben, der bestätigt, dass Luca beim Hinzukommen seiner Eltern deutlich verängstigt und panisch reagierte.
Die Untersuchung am anderen Tag verlief unproblematisch. Das Jugendamt wurde dahingegend verständigt, dass der Befundbericht den Eltern nicht in Anwesenheit von Luca mitgeteilt werden würde.
Am Samstag, den 6.10. sagte Luca zu Frau Rabenschlag: Mama, ich will nicht mehr nach Ludwigshafen (das ist für ihn die Bezeichnung für das LuZIE). Hast du das der Frau Ruhlandt gesagt?“
Heute, am Sonntagmorgen, den 7.10., sagte er nach dem Aufstehen, Waschen und Anziehen deutlich vernehmbar vor sich hin: „Er soll ab Oktober bei uns leben.“

Das zeigt, dass Luca die Worte seiner Mutter akustisch aufgenommen hat. Ob er sie schon bewusst reflektiert, ist unerheblich. An seiner panischen Reaktion ist zu erkennen, dass Luca längst spürt, dass mit ihm eine Veränderung vorgeht, die ihn ängstigt und sein Sicherheitsgefühl bedroht.


„Zu versuchen, ein Kind über den beabsichtigten, ihm drohenden Verlust seiner faktischen Eltern zu täuschen, ist aber so gut wie immer aussichtslos: Kinder sind vor dem Abschluss der Pubertät zwar im logischen Denken noch nicht so geschult wie Erwachsene; aber im Erspüren gefühlsmäßiger Zusammenhänge und im Beobachten auch unscheinbarer Anzeichen für bevorstehende Änderungen sind sie bekanntlich vielen Erwachsenen überlegen. Aus diesem Grunde sind pflichtmäßige Zusammenkünfte mit den leiblichen Eltern für Kinder, die zu ihren Pflegeeltern vertrauensvolle Kind-Eltern-Beziehungen entwickelt haben, fast zwangsläufig mit existentieller Trennungsangst verknüpft. Solche Ängste entstehen ohne jede Beeinflussung des Kindes, ja sogar entgegen verpflanzungsfreundlicher Beeinflussung seitens der Pflegeeltern. Trotz aller Bemühungen pflegen die Ängste eines Kindes von Besuch zu Besuch zu wachsen, statt abzuflauen. In verhaltensbiologischer Sicht ist diese Reaktion in der Natur des Kindes verankert: Ein Kind wäre seelisch nicht gesund, wenn es auf den sich anbahnenden Verlust seiner faktischen Eltern und damit seines Hortes der Geborgenheit nicht mit existentieller Angst reagieren würde. Was dies für ein Kind bedeutet, ist für Erwachsene, die als Kinder stets in gesicherten Verhältnissen aufwuchsen, beinahe uneinfühlbar – es sei denn, sie hätten die Leiden solcher Kinder unmittelbar miterlebt und mitempfunden. Nach einem derartigen Besuch – und allgemein unter dem Einfluss von Trennungsangst – können Kinder an Schlaflosigkeit, Essunlust und Erbrechen leiden. Sie können zu Bettnässern werden, allgemein gesundheitlich abfallen, zu Unfällen und Infektionen neigen. Sie können geistesabwesend oder aggressiv sein und in der Schule versagen“ (Hassenstein, Eltern-Kind-Beziehungen in der Sicht der Verhaltensbiologie – Folgerungen für Pflegeeltern und Pflegekinder, in: 3. Jahrbuch des Pflegekinderwesens, 2004, S. 66).



In diesem Sinne äußert sich auch Prof. Dr. Zenz (FamRZ 2007, S. 2060 bis 2063) zu der Erwartung, eine tragfähige Beziehung durch Umgangsausweitung aufzubauen, durch die ein Wechsel der Hauptbezugspersonen ermöglicht werden soll.

„Diese Erwartungen widersprechen nicht nur allen Erkenntnissen der Bindungsforschung, sondern ignorieren auch die existentielle Bedeutung einer sicheren Bindung sowie die unstreitig dramatischen Konsequenzen ihrer Zerstörung, die als Risiken bis in das Erwachsenenleben in Form von Störungen der Bindungsfähigkeit zu Partnern und eigenen Kindern nachweisbar sind. Ebenso unverständlich ist es, wenn die Angst des Kindes vor dem Verlust seiner Familie schlicht für manipuliert und also auch umgekehrt manipulierbar erklärt wird.“


Die Ausweitung des Umgangs und zwangsweise Durchsetzung hat nicht zu einer stärkeren, vertrauensvolleren Beziehung zu den leiblichen Eltern geführt - wie sicherlich von den Eltern und den MitarbeiterInnen des LuZIE erhofft -, sondern in Wirklichkeit schon jetzt zu einer erheblichen Beziehungsschädigung, wie man deutlich erkennen kann an der panikartigen Reaktion Lucas auf die Begegnung mit seinen Eltern.

Man wird jetzt einen ganz besonders behutsamen Griff tun müssen, damit Luca überhaupt wieder fähig und stabil genug werden kann, seine leiblichen Eltern unbefangen, unbeschwert zu treffen.
Eine Richtschnur für das, was nun für Luca angemessen ist, ergibt sich aus der Entscheidung des OLG Hamm vom 17.01.2011:
„Auch wenn im Grundsatz der Umgang eines Kindes mit seinen leiblichen Eltern dem Kindeswohl dient, so bedarf es jedoch nach einem Aufenthalt von mehr als 4 Jahren während des prägenden Kleinkindalters in einer Pflegefamilie und dem Nichtvorhandensein emotionaler Bindungen zur leiblichen Mutter im Einzelfall einer konkreten Abwägung zwischen der Gefährdung des Kindeswohls durch Umgangskontakte einerseits und dem rechtlich geschützten Interesse der Eltern an dem Umgang mit ihrem leiblichen Kind andererseits. Einer derartigen Gefährdung kann jedoch hier durch die Anordnung eines nur begleiteten Umgangs sowie durch eine zeitliche Begrenzung der Umgangskontakte begegnet werden.
Gerade bei Inobhutnahme eines Säuglings in einer Pflegefamilie – wie vorliegend – entwickelt sich eine Beziehung, die alle psychologischen Elemente einer gut funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung enthält. Für das Kindeswohl spielt nämlich die Art und Weise des Zustandekommens des Pflegeverhältnisses keine Rolle. Die existentielle Eltern-Kind-Beziehung ist nicht an die leibliche Elternschaft gebunden und kann nach den Erkenntnissen moderner Kinderpyschologie zu Pfleeltern ebenso tragfähig wie zu leiblichen Eltern sein. Denn eine solche Beziehung baut sich durch Pflege und Zuwendung auf, die eine Bezugsperson dem Kind längere Zeit entgegenbringt (OLG Hamm, FamRZ 1995, 1507). Die Herauslösung eines Pflegekindes aus einer Pflegefamilie, in der es durch längeren Aufenthalt verwurzelt ist, ist deshalb mit dem Kindeswohl nur zu vereinbaren und nur zulässig, wenn sie ohne Gefahr einer erheblichen und nachhaltigen Störung der Kindesentwicklung durchgeführt werden kann. Allein schon durch zu intensive Umgangskontakte mit der leiblichen Mutter, bei denen zu befürchten ist, dass jene ihre Mutterrolle gegenüber dem erst 4jährigen Kind herausstreicht und damit die Position des Kindes in der Pflegefamilie – bewusst oder auch nur unbewusst – in Frage stellt, kann das Kindeswohl gefährdet sein. Ein Kind im Alter von 4 Jahren braucht eine feste Bindung. Dem Kind gegenüber ist offensichtlich von vornherein nie in Frage gestellt worden, dass es auf die Dauer bei seinen Pflegeeltern leben wird. Damit hat das Kind sein gesamtes bewusstes Leben im Haushalt der Pflegeeltern verbracht und diese mit den Begriffen und Vorstellungen von Familie und Eltern besetzt. Wenn es befürchten muss, dass es aus seiner sozialen Familie herausgenommen wird und zu einer völlig fremden „Mutter“ übersiedeln muss, wird es in seiner Entwicklung erheblich gefährdet. Diese Angst vor einer Herausnahme kann bei dem Kind bereits durch Verhaltensweisen der Antragstellerin entstehen, ohne dass dies von jener ausdrücklich gesprochen oder aktuell letztendlich gewollt wird. Allein durch die Betonung gegenüber dem Kind, sie sei dessen tatsächliche Mutter, wird dies erheblich in seinen sozialen Bindungen erschüttert.
Im Hinblick darauf ist sicherzustellen, dass zwar ein Umgang zwischen der Antragstellerin und ihrem Kind besteht, dieser jedoch (zumindest zunächst) in einem zeitlich eingeschränkten Rahmen stattfindet. Weiterhin muss durch die Ausgestaltung des Umgangs sichergestellt werden, dass aus Sicht des Kindes seine soziale Position im Rahmen der Pflegefamilie in keiner Weise gefährdet wird. Von daher scheiden ein längerer Aufenthalt – insbesondere mit Übernachtung – im Haushalt der Antragstellerin auf absehbare Zeit aus. (...) Eine unkontrollierte Überlassung des Kindes mehrmals im Monat für einen Zeitraum von mehrerern Stunden würde lediglich zu einer weiteren Verunsicherung des Kindes und zur Gefahr des Verlusts seiner sozialen Bindungen und damit zur Gefährdung seiner allgemeinen Sozialisation führen. (...) Zur Anbahnung und Stabilisierung einer persönlichen Beziehung zwischen Mutter und Kind hält es der Senat für erforderlich, dass Umgangskontakte an 6 Terminen im Jahr – wobei diese selbst zwischen 1 und 1 ½ Stunden andauern sollten – stattfinden. Um hierbei zu gewährleisten, dass die Antragstellerin gegenüber (dem Pflegekind) nicht in einer Art auftritt, die zu einer Erschütterung deren gefestigter Lebensumstände führt und sie von den Personen, zu denen sie eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut hat, entfremdet, können im Kindeswohlinteresse diese Umgangskontakte nur in Begleitung von Jugendamtsmitarbeitern oder von diesen beauftragten Personen stattfinden.“ OLG Hamm, 17.01.2011 (II-8 UF 133/10 = Jamt 2011, 223 ff. = FamRZ 2011, 826 f.) (Hervorhebung von der Unterzeichnerin).



Nach Einschätzung der Antragsgegnerinnen ist jetzt erst einmal eine längere Pause von den Umgängen für Luca unumgänglich. Danach kann sachte versucht werden, den Kontakt wieder herzustellen.



Abschließend noch eine Bemerkung zu dem in der Vergangenheit mehrfach angeklungenen Vorwurf, die Pflegemütter, namentlich Frau Rabenschlag, bänden Luca zu sehr an sich.
Richtig ist, dass sie Luca stets die Aufmerksamkeit und Zuwendung gegeben haben und geben, die er in der jeweiligen Lebensphase benötigt/e.

„Die Eltern-Kind-Beziehung kommt im täglichen Zusammenleben, aus der täglichen Befriedigung der kindlichen Bedürfnisse nach Nahrung, Pflege, körperlichem und psychischem Kontakt zustande. Auf Seiten des neugeborenen Kindes besteht die Bereitschaft, die elementare Eltern-Kind-Bindung zu jedem Menschen herzustellen, der die Elternfunktion in dem hier umschriebenen Sinne übernimmt. Das Kind ist in keiner Weise auf seine leiblichen Eltern fixiert. Darin gibt es heute unter den diversen mit menschlicher Entwicklung befassten Wissenschaften keinen Zweifel mehr“ (Zenz, Zur Bedeutung der Erkenntnisse von Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung für die Arbeit mit Pflegekindern, in: 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens, 2001, S. 22 ff).

So bindet sich also zunächst und vor allem das Kind an den Menschen, der ihm all diese Bedürfnisse befriedigt (nicht umgekehrt!), denn ohne diese Beziehung würde es gar nicht überleben können.







Gabriele Zimmermann

Rechtsanwältin

7. Oktober 2012 

*

Am 25.10.2012 gegen 15:30 Uhr  erschienen Frau Lexis vom Jugendamt Rhein-Pfalz-Kreis  und Frau Wäschle vom LuZIE bei uns in der Straße 
Am Dicken Stein 63, 67466 Lambrecht, 
mit einem Schreiben der damaligen Vormündin, Frau Bossert.

Sie luden Luca gegen seinen Willen und weinend in ihr Auto 
und gaben an, ihn zu einer amtsärztlichen Untersuchung zu bringen. 
Sie untersagten mir, in ihrem Auto mit ihm zu fahren.
Mein Angebot, ihn in unserem Auto zum Amtsarzt zu bringen, 
lehnten sie ebenso ab.

Ich fuhr hinter ihnen her zum Gesundheitsamt Ludwigshafen, 
das als Adresse angegeben war. 
 
Dort erfuhr ich von der Amtsärztin, 
dass die Untersuchung in einer kinderärztlichen Praxis stattfinde, 
nämlich hier: 

Zentrum für Familienmedizin,
Dr.-Hans-Wulf-Platz 1,
67069 Ludwigshafen,
0621 669400,
Dr. Christel Petzschke. 
 

Ich fuhr dorthin. 
Nach einer Wartezeit wurde ich zur Besprechung gerufen. 
Die Ärztin und Frau Lexis sprachen mit mir. 
Währenddessen wurde Luca von Frau Wäschle fortgebracht, 
ohne dass ich ihn sah. 
Frau Lexis eröffnete mir dann, 
das sei eine Inobhutnahme, 
da ich das Kindeswohl gefährde.


Man brachte Luca am selben Abend
in eine Bereitschaftspflegefamilie in Lachen-Speyerdorf,
das ist ein Ortsteil von Neustadt/Weinstraße,
von dort zwei Monate später in seine Herkunftsfamilie nach Waldsee,
die dann nach Kaufbeuren verzog,
von dort nach Augsburg in die Kinderpsychiatrie,
von dort nach Kempten in ein Heim.



 Stefanie Rabenschlag



*



 









4 Kommentare:

  1. Das kann kein normal empfindender Mensch ohne allergrößte Seelenschmerzen lesen. Institutionen tun sicherlich oft Gutes, aber eben nicht immer - und manchmal entscheiden sie völlig daneben.
    Alles, alles Gute für dich!

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    1. Himmelhohe, so schön, dich zu lesen!!
      Ja, auch nach bald vier Jahren und zig-maligem Erzählen ist das Grauen geblieben.

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  2. Geht mir genauso, oder noch tiefer unter die Haut als damals.
    Und jetzt?

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