Wie
bereits angekündigt, war Luca in Begleitung von Frau Rabenschlag am
4. und 5.10.2012 im St. Anna-Stift, wo er durch eine
Magnetresonanztomographie untersucht wurde.
Schon
bei dem Umgang vom 27.9.2012 wies Frau Wäschle vom LuZIE Frau
Rabenschlag darauf hin, dass Frau und Herr M., die leiblichen Eltern, zu diesem
Termin auch ins Krankenhaus kommen wollten und dass das LuZIE wegen
der beschlossenen Rückführung diesen Schritt bejahe.
Danach
fand am 1.10. der Umgang statt, bei dem er ohne vorherige Absprache
mit den Pflegemüttern seiner Mutter mitgegeben wurde und von dem er
verstört und völlig verweint zurückkam.
Am
4.10. erkundigte sich Frau Wäschle telefonisch bei Frau Rabenschlag,
ob die Untersuchung stattfinden würde (Luca hatte einen leichten
Infekt) und kündigte nochmals das Kommen von Frau und ggf. auch von
Herrn M. an.
Frau
Rabenschlag ließ sich und Luca von ihrem erwachsenen Sohn Johannes
zum St. Anna-Stift fahren. Luca fuhr gern mit, er geht gern zu Ärzten
und auch gern ins Frühförderzentrum, so dass er gut auf diesen
Termin vorbereitet werden konnte. Als ihn Frau Rabenschlag auf das
Kommen seiner leiblichen Eltern vorbereitete, erstarrte er, verfiel
in das typische Schaukeln jactatio corporis und sprach nicht mehr.
Im
Krankenhaus war niemand, Luca entspannte sich zusehends.
Etwa
45 Minuten fand eine fröhliche Voruntersuchung statt, Luca plauderte
mit Arzt und Krankenschwester, ließ ganz unbekümmert alle
Untersuchungen über sich ergehen, zuckte nur leicht, als der Zugang
in seine Hand gelegt wurde, keine Träne.
Als
die Aufklärung über die Narkose begann, meinte Frau Rabenschlag,
Luca müsste ja diesem Gespräch nicht beiwohnen. Heiter plappernd
verließ er mit Johannes den Raum, kam aber Sekunden später
geschockt schreiend hereingerannt, sprang Frau Rabenschlag auf den
Schoß, presste sich weinend an sie und umklammerte ihren Hals.
Der
Arzt, Herr Dr. Zaplinski, war sichtlich erstaunt, weil er ja zunächst
nicht ersehen konnte, was diese völlige Verwandlung im Kind bewirkt
hatte. Unmittelbar darauf erschienen Frau und Herr M. im
Zimmer und sprachen ihre Befürchtungen wegen der Narkose aus, sie
sagten, sie hätten das Sorgerecht und Frau M. sagte laut:
„Luca soll ab 1. Februar 2012 bei uns leben.“ Letzteres sollte
Luca ja eigentlich noch nicht erfahren.
Der
Arzt fasste sich, bat sie, die Tür zu schließen und begann das
Aufklärungsgespräch.
Während
der ganzen Zeit, 10 bis 15 Minuten, weinte Luca laut und heftig,
klammerte sich an Frau Rabenschlags Hals, verbarg seinen Kopf an
ihrer Schulter und schaute immer wieder zu den beiden hin, um dann
jedesmal erneut aufzuweinen und flehentlich "Mama, Mama" zu
jammern.
Der
Arzt beendete das Gespräch vorzeitig. Luca klammerte sich fest auf
Frau Rabenschlags Arm, eine Krankenschwester brachte sie, den Jungen
und Johannes Rabenschlag zum Aufzug.
Anbei
wird der Arztbericht übergeben, der bestätigt, dass Luca beim
Hinzukommen seiner Eltern deutlich verängstigt und panisch
reagierte.
Die
Untersuchung am anderen Tag verlief unproblematisch. Das Jugendamt
wurde dahingegend verständigt, dass der Befundbericht den Eltern
nicht in Anwesenheit von Luca mitgeteilt werden würde.
Am
Samstag, den 6.10. sagte Luca zu Frau Rabenschlag: Mama, ich will
nicht mehr nach Ludwigshafen (das ist für ihn die Bezeichnung für
das LuZIE). Hast du das der Frau Ruhlandt gesagt?“
Heute,
am Sonntagmorgen, den 7.10., sagte er nach dem Aufstehen, Waschen und
Anziehen deutlich vernehmbar vor sich hin: „Er soll ab Oktober bei
uns leben.“
Das
zeigt, dass Luca die Worte seiner Mutter akustisch aufgenommen hat.
Ob er sie schon bewusst reflektiert, ist unerheblich. An seiner
panischen Reaktion ist zu erkennen, dass Luca längst spürt, dass
mit ihm eine Veränderung vorgeht, die ihn ängstigt und sein
Sicherheitsgefühl bedroht.
„Zu versuchen, ein Kind
über den beabsichtigten, ihm drohenden Verlust seiner faktischen
Eltern zu täuschen, ist aber so gut wie immer aussichtslos: Kinder
sind vor dem Abschluss der Pubertät zwar im logischen Denken noch
nicht so geschult wie Erwachsene; aber im Erspüren gefühlsmäßiger
Zusammenhänge und im Beobachten auch unscheinbarer Anzeichen für
bevorstehende Änderungen sind sie bekanntlich vielen Erwachsenen
überlegen. Aus diesem Grunde sind pflichtmäßige Zusammenkünfte
mit den leiblichen Eltern für Kinder, die zu ihren Pflegeeltern
vertrauensvolle Kind-Eltern-Beziehungen entwickelt haben, fast
zwangsläufig mit existentieller Trennungsangst verknüpft. Solche
Ängste entstehen ohne jede Beeinflussung des Kindes, ja sogar
entgegen verpflanzungsfreundlicher Beeinflussung seitens der
Pflegeeltern. Trotz aller Bemühungen pflegen die Ängste eines
Kindes von Besuch zu Besuch zu wachsen, statt abzuflauen. In
verhaltensbiologischer Sicht ist diese Reaktion in der Natur des
Kindes verankert: Ein Kind wäre seelisch nicht gesund, wenn es auf
den sich anbahnenden Verlust seiner faktischen Eltern und damit
seines Hortes der Geborgenheit nicht mit existentieller Angst
reagieren würde. Was dies für ein Kind bedeutet, ist für
Erwachsene, die als Kinder stets in gesicherten Verhältnissen
aufwuchsen, beinahe uneinfühlbar – es sei denn, sie hätten die
Leiden solcher Kinder unmittelbar miterlebt und mitempfunden. Nach
einem derartigen Besuch – und allgemein unter dem Einfluss von
Trennungsangst – können Kinder an Schlaflosigkeit, Essunlust und
Erbrechen leiden. Sie können zu Bettnässern werden, allgemein
gesundheitlich abfallen, zu Unfällen und Infektionen neigen. Sie
können geistesabwesend oder aggressiv sein und in der Schule
versagen“ (Hassenstein, Eltern-Kind-Beziehungen in der Sicht der
Verhaltensbiologie – Folgerungen für Pflegeeltern und
Pflegekinder, in: 3. Jahrbuch des Pflegekinderwesens, 2004, S. 66).
In
diesem Sinne äußert sich auch Prof. Dr. Zenz (FamRZ 2007, S. 2060
bis 2063) zu der Erwartung, eine tragfähige Beziehung durch
Umgangsausweitung aufzubauen, durch die ein Wechsel der
Hauptbezugspersonen ermöglicht werden soll.
„Diese Erwartungen
widersprechen nicht nur allen Erkenntnissen der Bindungsforschung,
sondern ignorieren auch die existentielle Bedeutung einer sicheren
Bindung sowie die unstreitig dramatischen Konsequenzen ihrer
Zerstörung, die als Risiken bis in das Erwachsenenleben in Form von
Störungen der Bindungsfähigkeit zu Partnern und eigenen Kindern
nachweisbar sind. Ebenso unverständlich ist es, wenn die Angst des
Kindes vor dem Verlust seiner Familie schlicht für manipuliert und
also auch umgekehrt manipulierbar erklärt wird.“
Die
Ausweitung des Umgangs und zwangsweise Durchsetzung hat nicht zu
einer stärkeren, vertrauensvolleren Beziehung zu den leiblichen
Eltern geführt - wie sicherlich von den Eltern und den
MitarbeiterInnen des LuZIE erhofft -, sondern in Wirklichkeit schon
jetzt zu einer erheblichen Beziehungsschädigung, wie man deutlich
erkennen kann an der panikartigen Reaktion Lucas auf die Begegnung
mit seinen Eltern.
Man wird jetzt einen ganz
besonders behutsamen Griff tun müssen, damit Luca überhaupt wieder
fähig und stabil genug werden kann, seine leiblichen Eltern
unbefangen, unbeschwert zu treffen.
Eine Richtschnur für das,
was nun für Luca angemessen ist, ergibt sich aus der Entscheidung
des OLG Hamm vom 17.01.2011:
„Auch wenn im Grundsatz
der Umgang eines Kindes mit seinen leiblichen Eltern dem Kindeswohl
dient, so bedarf es jedoch nach einem Aufenthalt von mehr als 4
Jahren während des prägenden Kleinkindalters in einer Pflegefamilie
und dem Nichtvorhandensein emotionaler Bindungen zur leiblichen
Mutter im Einzelfall einer konkreten Abwägung zwischen der
Gefährdung des Kindeswohls durch Umgangskontakte einerseits und dem
rechtlich geschützten Interesse der Eltern an dem Umgang mit ihrem
leiblichen Kind andererseits. Einer derartigen Gefährdung kann
jedoch hier durch die Anordnung eines nur begleiteten Umgangs sowie
durch eine zeitliche Begrenzung der Umgangskontakte begegnet werden.
Gerade bei Inobhutnahme
eines Säuglings in einer Pflegefamilie – wie vorliegend –
entwickelt sich eine Beziehung, die alle psychologischen Elemente
einer gut funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung enthält. Für das
Kindeswohl spielt nämlich die Art und Weise des Zustandekommens des
Pflegeverhältnisses keine Rolle. Die existentielle
Eltern-Kind-Beziehung ist nicht an die leibliche Elternschaft
gebunden und kann nach den Erkenntnissen moderner Kinderpyschologie
zu Pfleeltern ebenso tragfähig wie zu leiblichen Eltern sein. Denn
eine solche Beziehung baut sich durch Pflege und Zuwendung auf, die
eine Bezugsperson dem Kind längere Zeit entgegenbringt (OLG Hamm,
FamRZ 1995, 1507). Die Herauslösung eines Pflegekindes aus einer
Pflegefamilie, in der es durch längeren Aufenthalt verwurzelt ist,
ist deshalb mit dem Kindeswohl nur zu vereinbaren und nur zulässig,
wenn sie ohne Gefahr einer erheblichen und nachhaltigen Störung der
Kindesentwicklung durchgeführt werden kann. Allein
schon durch zu intensive Umgangskontakte mit der leiblichen Mutter,
bei denen zu befürchten ist, dass jene ihre Mutterrolle gegenüber
dem erst 4jährigen Kind herausstreicht und damit die Position des
Kindes in der Pflegefamilie – bewusst oder auch nur unbewusst –
in Frage stellt, kann das Kindeswohl gefährdet sein. Ein
Kind im Alter von 4 Jahren braucht eine feste Bindung. Dem Kind
gegenüber ist offensichtlich von vornherein nie in Frage gestellt
worden, dass es auf die Dauer bei seinen Pflegeeltern leben wird.
Damit hat das Kind sein gesamtes bewusstes Leben im Haushalt der
Pflegeeltern verbracht und diese mit den Begriffen und Vorstellungen
von Familie und Eltern besetzt. Wenn es befürchten muss, dass es aus
seiner sozialen Familie herausgenommen wird und zu einer völlig
fremden „Mutter“ übersiedeln muss, wird es in seiner Entwicklung
erheblich gefährdet. Diese Angst vor einer Herausnahme kann bei dem
Kind bereits durch Verhaltensweisen der Antragstellerin entstehen,
ohne dass dies von jener ausdrücklich gesprochen oder aktuell
letztendlich gewollt wird. Allein durch die Betonung gegenüber dem
Kind, sie sei dessen tatsächliche Mutter, wird dies erheblich in
seinen sozialen Bindungen erschüttert.
Im Hinblick darauf ist
sicherzustellen, dass zwar ein Umgang zwischen der Antragstellerin
und ihrem Kind besteht, dieser jedoch (zumindest zunächst) in einem
zeitlich eingeschränkten Rahmen stattfindet. Weiterhin muss durch
die Ausgestaltung des Umgangs sichergestellt werden, dass aus Sicht
des Kindes seine soziale Position im Rahmen der Pflegefamilie in
keiner Weise gefährdet wird. Von daher scheiden ein längerer
Aufenthalt – insbesondere mit Übernachtung – im Haushalt der
Antragstellerin auf absehbare Zeit aus. (...) Eine unkontrollierte
Überlassung des Kindes mehrmals im Monat für einen Zeitraum von
mehrerern Stunden würde lediglich zu einer weiteren Verunsicherung
des Kindes und zur Gefahr des Verlusts seiner sozialen Bindungen und
damit zur Gefährdung seiner allgemeinen Sozialisation führen. (...)
Zur Anbahnung und Stabilisierung einer persönlichen Beziehung
zwischen Mutter und Kind hält es der Senat für erforderlich, dass
Umgangskontakte an 6 Terminen im Jahr – wobei diese selbst zwischen
1 und 1 ½ Stunden andauern sollten – stattfinden. Um hierbei zu
gewährleisten, dass die Antragstellerin gegenüber (dem Pflegekind)
nicht in einer Art auftritt, die zu einer Erschütterung deren
gefestigter Lebensumstände führt und sie von den Personen, zu denen
sie eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut hat, entfremdet, können
im Kindeswohlinteresse diese Umgangskontakte nur in Begleitung von
Jugendamtsmitarbeitern oder von diesen beauftragten Personen
stattfinden.“ OLG Hamm, 17.01.2011 (II-8 UF 133/10 = Jamt 2011, 223
ff. = FamRZ 2011, 826 f.) (Hervorhebung von der Unterzeichnerin).
Nach Einschätzung der
Antragsgegnerinnen ist jetzt erst einmal eine längere Pause von den
Umgängen für Luca unumgänglich. Danach kann sachte versucht
werden, den Kontakt wieder herzustellen.
Abschließend noch eine
Bemerkung zu dem in der Vergangenheit mehrfach angeklungenen Vorwurf,
die Pflegemütter, namentlich Frau Rabenschlag, bänden Luca zu sehr
an sich.
Richtig ist, dass sie Luca
stets die Aufmerksamkeit und Zuwendung gegeben haben und geben, die
er in der jeweiligen Lebensphase benötigt/e.
„Die
Eltern-Kind-Beziehung kommt im täglichen Zusammenleben, aus der
täglichen Befriedigung der kindlichen Bedürfnisse nach Nahrung,
Pflege, körperlichem und psychischem Kontakt zustande. Auf Seiten
des neugeborenen Kindes besteht die Bereitschaft, die elementare
Eltern-Kind-Bindung zu jedem Menschen herzustellen, der die
Elternfunktion in dem hier umschriebenen Sinne übernimmt. Das Kind
ist in keiner Weise auf seine leiblichen Eltern fixiert. Darin
gibt es heute unter den diversen mit menschlicher Entwicklung
befassten Wissenschaften keinen Zweifel mehr“
(Zenz, Zur Bedeutung der Erkenntnisse von Entwicklungspsychologie und
Bindungsforschung für die Arbeit mit Pflegekindern, in: 2. Jahrbuch
des Pflegekinderwesens, 2001, S. 22 ff).
So
bindet sich also zunächst und vor allem das Kind an den Menschen,
der ihm all diese Bedürfnisse befriedigt (nicht umgekehrt!), denn
ohne diese Beziehung würde es gar nicht überleben können.
Gabriele Zimmermann
Rechtsanwältin
7. Oktober 2012
*
Am
25.10.2012 gegen 15:30 Uhr
erschienen Frau Lexis vom Jugendamt
Rhein-Pfalz-Kreis und Frau
Wäschle vom LuZIE bei uns in der Straße
Am
Dicken Stein 63, 67466 Lambrecht,
mit
einem Schreiben der damaligen Vormündin, Frau Bossert.
Sie
luden Luca gegen seinen Willen und weinend in ihr Auto
und
gaben an, ihn zu einer amtsärztlichen Untersuchung zu bringen.
Sie
untersagten mir, in ihrem Auto mit ihm zu fahren.
Mein
Angebot, ihn in unserem Auto zum Amtsarzt zu bringen,
lehnten
sie ebenso ab.
Ich
fuhr hinter ihnen her zum Gesundheitsamt Ludwigshafen,
das
als Adresse angegeben war.
Dort
erfuhr ich von der Amtsärztin,
dass
die Untersuchung in einer kinderärztlichen Praxis stattfinde,
nämlich
hier:
Zentrum
für Familienmedizin,
Dr.-Hans-Wulf-Platz
1,
67069
Ludwigshafen,
0621
669400,
Dr.
Christel Petzschke.
Ich
fuhr dorthin.
Nach
einer Wartezeit wurde ich zur Besprechung gerufen.
Die
Ärztin und Frau Lexis sprachen mit mir.
Währenddessen
wurde Luca von Frau Wäschle fortgebracht,
ohne
dass ich ihn sah.
Frau
Lexis eröffnete mir dann,
das
sei eine Inobhutnahme,
da
ich das Kindeswohl gefährde.
Man
brachte Luca am selben Abend
in
eine Bereitschaftspflegefamilie in Lachen-Speyerdorf,
das
ist ein Ortsteil von Neustadt/Weinstraße,
von
dort zwei Monate später in seine Herkunftsfamilie nach Waldsee,
die
dann nach Kaufbeuren verzog,
von
dort nach Augsburg in die Kinderpsychiatrie,
von
dort nach Kempten in ein Heim.
Stefanie
Rabenschlag
*